Tuesday, April 27, 2021

Unrelated

Fickt euch, ihr dreckigen Neider. Das, was ich erreicht habe, habe ich allein mir zu verdanken, meiner Ausdauer, meiner Beharrlichkeit, meiner harten Arbeit, meinem Widerwillen aufzugeben. Ihr habt keinen blassen, was ich alles gesehen, erlebt, erlitten habe, was es mich gekostet hat, wie viel und wie sehr ich immer noch zu kämpfen habe. Was es mich gekostet, wie lang es gedauert hat, bis ich das so überhaupt sehen und sagen kann. Also, fickt euch.

Nur weil ihr selbst unzufrieden seid mit euch, eurem Leben, euren Leistungen, lass ich mir das nicht durch eure Bitterkeit kaputt machen, also nehmt eure verbitterte, zäh-klebrige Seelenscheiße und schmiert sie euch sonst wohin. FUCK YOU.

Is nich so, als hätt ich kein Mitgefühl, ich war selbst mal da. Problem is nur, ihr zieht das ja nicht mal in Erwägung, bleibt nur in eurer kleinen Blase und hakt nicht nach. Seht nur eure Perspektive, wollt augenscheinlich nur sie sehen. Your loss. Bleibt mir nur zu hoffen, dass ihr's selbst mal schafft, in eurem eigenen Tempo, aber macht das gefälligst nicht zu meinem Problem, denn das ist es nicht.

Alles hat eine Grenze, und ihr überschreitet sie viel zu oft für meinen Geschmack. Also nochmal, fickt euch. Get to my level, und dann reden wir nomma.

Aber bis dahin, jo, genau, fickt euch. Danke, byebye.


P.S.: Gut gemeinter Rat; verwechselt meine Gutherzigkeit und Freundlichkeit nicht mit Schwäche.

Friday, March 26, 2021

Kirchenaustritt

Jede Religion, die ihre Ansichten und ihren Glauben mit Angst, Unterdrückung, Zerstörung von Kultur und Land, dem Vergießen von Blut und der Besudelung der Seele erzwingt, macht etwas grundlegend falsch und sollte hinterfragt werden. Jedoch muss man zwischen Religion und den Institutionen, die diese zelebrieren und in die Welt tragen wollen, differenzieren. Denn meist sind es Kirchen, Sekten, Zusammenschlüsse von Menschen, die diesen fragwürdigen Weg betreten, nicht die Religion selbst. Die Religion ist nur eine Sammlung von Ideen, Ansichten und Glauben. Erst der Mensch macht sie gefährlich. Und letztlich unnötig.

Wer braucht kalte Gebäude aus Stein oder gar andere Menschen, wenn man dem Ursprung und dem Göttlichen am besten in aller Ruhe allein in zum Beispiel einem Wald begegnen kann? Oder unter sternenklarem Nachthimmel mit nur sich, den eigenen Gedanken und der lebendigen Stille. Dem morgendlichen Gesang der Vögel im Frühling, wenn die Sonnenstrahlen bereits frühmorgens Wärme spenden und die glasklare Luft den Tau auf den Grashalmen streift.

Mein Atheismus habe ich jahrelang als Rebellion gegen das Göttliche missverstanden, wobei es nur Rebellion und Ablehnung der Kirche gegenüber war. Ich war schon immer sehr spirituell, wollte es mir aber nicht eingestehen, weil ich zu lange dachte, dass "spirituell" nur auf eine Weise möglich und erlaubt ist - auf die katholische, christliche. Doch das ist falsch, und das habe ich jetzt erkannt. Ich bin gläubig. Und mir das nach all den Jahren selbst eingestehen zu können fühlt sich fremd an, merkwürdig, ein stück unbequem, beängstigend, aber auch unheimlich befreiend. Ich bin gläubig. Aber nach meiner Definition, nicht der der großen oder auch kleinen Religionen oder der Institutionen, die diese Religionen für sich beanspruchen wollen.

Ich bin Pantheist. Ich fühle mich immer noch nicht wohl mit solchen Labels, aber... es ist, was es ist. Pantheismus ist keine Religion. Es ist eine Philosophie.

Einstein, Goethe, Spinoza, so viele andere - und vielleicht sogar Jesus. Wenn man das Thomasevangelium aufmerksam liest, wäre dieser Gedanke gar nicht einmal so abwegig. Was sonst wäre mit "Heiliger Geist" gemeint?

Ich trete aus der Kirche aus. Nicht wegen den Missbrauchsskandalen über Jahrzehnte hinweg, das ist nur ein weiterer Grund. Die Idee einer Kirche als solche sagt mir nicht zu. Hat es noch nie. Und je älter ich werde, desto abstruser finde ich dieses Konstrukt einer Institution, die Glauben und den Draht zum Göttlichen schon immer als Ware behandelt hat, obwohl sie immer behauptet, sie würde dies nicht tun.
Jedem Baum, jeder Pflanze, jedem Grashalm ist mehr Göttliches inne als jeder Kirche, Moschee, Synagoge, jedem Tempel und so weiter.

Natürlich, die Tempel, Kirchen, Synagogen bestehen aus Material, das aus der Natur stammt, jedes Atom ist letztlich Teil des Göttlichen. Und jede Religion ist letztlich, genau wie die Wissenschaft, ein Teil des Großen und ebenso auf der Suche nach Antworten, die uns alle bewegen, ob wir es wissen oder nicht. Doch es ist das, was der Mensch daraus macht, wie er es nutzt, wofür er es nutzt (oder oft auch missbraucht), was diesen Gedanken schwärzt und mit einem bitteren Nachgeschmack versieht. Daher, ich bin gegen diese Institution und bin bereiter denn je, ihr den Rücken zu kehren.

Na gut, mit einer Inzidenz von 400 ist es vielleicht nicht die beste Idee, es gleich morgen zu machen. Aber, 34 Jahre... da kommt es auf ein paar Tage oder Wochen auch nicht mehr an.

Tuesday, January 7, 2020

Auf der Suche

Am 6.1.2017 hatte ich folgenden Text geschrieben:

When the night sky gives me peace at heart

Today I've spent a lovely evening together with my friends. A good friend of mine has had birthday earlier in December 2016 and she didn't celebrate, so we did so today. We brought her gifts, ate wonderful food and had a really good time together. We laughed a lot and talked about anything and everything. I'm really grateful for that.
I got picked up and while driving to our friends' home, I watched the night sky. The bright half full moon and several stars (e.g. inside my favorites Orion, its Nebula and the Pleiades). I, again, wished so badly for a telescope to watch them closer. But instead, I had to use my eyes, like always.
While sitting there relaxed and calm, I once again could achieve to wrap my mind around the fact that we're all just on the surface of a giant habitable (imperfect) ball drifting through space. That the night sky is dark, because of the vast distance between us and everything else around us, and the stars are bright, because they are actual stars burning up their own matter in a fusion reaction - and that they're not just small bright dots on a dark blue, almost black canvas.
The stars, the interstellar matter - and the void.
Do you know moments like this? When the reality of our own unimportance hits you hard, when everything good and bad which happens here on our planet seems so meaningless, so unimportant, so trifling.
Our everyday problems and worries, not worth the stress at all. Take your time, take it easy. Life is not a race.
Moments like this don't scare me. When I think about or look at the night sky and the universe I don't feel afraid or intimidated at all. Of course, they're formidable, but they also make me extremely happy and give me almost perfect and complete peace and calm. Which is rare enough in my everyday life.
But my everyday life doesn't matter. My life doesn't matter. Nothing really matters. At least not in the long run. The universe will continue to do what it has been doing since the Big Bang - no matter what we do to ourselves, each other or our home. The earth will continue to orbit our sun as long as it can, everything will go its way as long as it can. Steadily. Continuously.
I'm very grateful for that, as well. Also for the shooting star I could watch before closing the door of our apartment building. So I made a wish upon that star.
Cherish the things you have. Everything you have, everything you are, everything that surrounds you is star dust in the end. The stars that died in supernovae provided the matter for life as we know it. Cherish the ones you love and those who love you. Everything, as improbable as it may have been, turned out this way so that you can be alive now and live the life you've been given.

Das ist jetzt fast auf den Tag genau drei Jahre her. Warum krame ich das gerade jetzt hervor? Nun, dazu komme ich natürlich noch.

Momente wie diese habe ich schon immer erleben dürfen, selten, aber sie waren da, schon bereits als Kind. Ich erinnere mich immer wieder gerne an die Busfahrt nach Spanien über Nacht zur Zeit um Pfingsten, während man den Orion noch am Sternenhimmel sehen kann.
Es war 1997, (fast) ein Jahr nachdem meine Mutter starb, und der Komet Hale-Bopp flog - so schien es zumindest - friedlich über Orion hinweg, schien in ihm zu ruhen. Und ich habe Stunden damit verbracht, anstatt zu schlafen, mir dieses (für ein zehnjähriges Kind über diesen Zeitraum eigentlich unspannendes) Schauspiel anzusehen und in mir aufzunehmen. Ich fühlte mich eins mit dem Geschehen und Sichtbaren da oben, fühlte mich wohl, geradezu geborgen bei dem Anblick. Wie durch die Umarmung (m)einer Mutter. Ich weiß aber noch, dass ich dabei nicht über "den Himmel" oder ein Leben nach dem Tod nachdachte, oder sie dort oben vermutete. Mein (römisch-katholisch indoktrinierter christliche) Glaube starb mit ihr. Jedenfalls, seit dieser Nacht ist Orion mein liebstes Sternbild und wird es immer sein. Heute bin ich 33 Jahre alt und schaue immer noch in der dunklen Jahreszeit zu Orion auf wie zu einem alten Freund, in jeder Nacht, in der ich ihn am Himmel erblicken kann.

Vor ein paar Jahren (3 glaube ich, oder doch schon 4?) waren wir mal wieder zu Besuch bei der Familie meines Freundes in Österreich. Dies ist ohnehin immer unfassbar schön, vor allem durch dieses ungeheure Maß an mehr oder minder unberührt wirkender Natur, aber auch der Abgeschiedenheit und der Fülle an Leben dort. Damit meine ich nicht die Bevölkerungsdichte, denn die ist in den Dörfern der Voralpen doch recht überschaubar. Sommer, Hitze, brummendes Leben überall, Hummeln summen, Ameisen sammeln, Vögel balzen und füttern was das Zeug hält. Leben halt.
Wir besuchten Stefans Tante auf ihrer Almhütte, mussten, um dorthin zu gelangen, den Wagen etwas weiter unten stehen lassen und den Rest zu Fuß laufen. Auf dem steilen und sich windenden Waldpfad dorthin grüßte uns ein Fuchs, der scheinbar genauso wie wir gemütlich unterwegs war. Oben angekommen sprachen, kochten, aßen und tranken wir alle zusammen, danach ging's an das Verdauungspäuschen. Die Hütte ist klein und gemütlich, umzäunt von Beeten und Pflanzen, doch direkt dahinter folgen keine Zäune oder Hecken, sondern stattdessen tiefer, großer, stiller Nadelwald. Ich lief ein Stück, genoss die kühle und von Harz parfümierte Luft, freute mich wie ein kleines Kind bei jedem Schritt über den unglaublich weichen, federnden Waldboden, der mehr aus alten Nadeln aus als allem anderen zu bestehen schien, hörte den wenigen Vögeln dort oben beim Singen zu, sofern ihr Gesang denn nicht vom Wald gedämpft wurde. Ich lief zurück und legte mich auf eine der Sonnenliegen direkt zwischen Rasen und Waldboden, über mir Nadelbäume, vor mir auf dem Hang der Alm auch Laubbäume, über deren Baumkronen die langsam sinkende Sonne stand, überall um mich herum das leise Rauschen des Windes, der mit seinen Fingern das Laub zu streifen schien. Ich schloss die Augen und existierte einfach nur noch, entspannt, losgelöst, frei. Ein Moment, in dem man einfach nur lebt, voll und ganz. Im Hier und Jetzt, bedingungslos und frei von aller Last. Ich hatte das Gefühl Teil des Waldes mitsamt allen Formen des Lebens darin zu sein und der Wald war Teil von mir. Die Grenzen verschwammen. Ein unglaublich und unbeschreiblich schöner Moment (der in der Tat laut meinem Freund doch gute zwei Stunden anhielt, aber ich muss gestehen, dass ich irgendwann eingenickt sein muss, lel).

Solche Momente berühren und bewegen mich auf eine so tiefgehende, urtümliche, intuitive Weise, dass ich es nur schlecht in Worte fassen kann. Man könnte fast sagen, dass sie mir fast den Blick auf meinen eigenen Kern und den der Welt um mich herum eröffnen und mir dadurch unglaublich tief und intensiv empfundenen inneren Frieden und Gelassenheit geben. ...
Schön und gut, klingt aber irgendwie verdächtig nach... spiritueller Erfahrung oder sogar Glauben? Zumindest das, was die Menschen sich von Glauben erhoffen und was man eben so hört, was so mancher darin zu finden glaubt. Aber ich und Glaube?! Momentchen mal.

Seit dem Tod meiner Mutter lehnte ich alles kirchliche und lange Zeit auch jegliche Form von Religion oder gar Glauben strickt ab. Mein Glaube davor war der naive Glaube eines Kindes, so wie ihn Kinder nun einmal haben, die im Rahmen einer Religion erzogen werden. Tief oder unerschütterlich war er aber noch nie, schätze ich. "Da oben ist Gott, sei brav und bete zu ihm und du kommst in den Himmel." - "Bullshit, nicht mit mir, der Wichser da oben, der so etwas tut, Menschen so viel Leid zufügt, guten Menschen, die die Liebe und Selbstlosigkeit in Person sind... waren..." Ich fiel sprichwörtlich vom Glauben ab und bekannte mich irgendwann bewusst und demonstrativ zum Atheismus. "Auf Gott ist geschissen und auf die Kirche sowieso. Freibriefe, Kreuzzüge, Missionierung, Leib Christi, Klingelbeutel, Kirchensteuer, Himmel, Hölle, Buße, Beichte, auf die Knie fallen, zu Kreuze kriechen, nicht mit mir. Ich hab nichts getan, meine Mutter hat nichts getan, warum also?! Warum so viel Leid, warum so viel Schmerz, warum so früh??"
Ich weiß, dass es meine eigene Wunde war, mein eigener Schmerz, meine Wut, die mich dazu verleitete. Heute weiß ich das, als Kind begreift man so etwas noch nicht. Man erahnt es hin und wieder vielleicht nur ansatzweise, stößt es aber sofort wieder von sich, erst recht, wenn die Wunde tief genug und zu schmerzvoll ist. Als Jugendliche war es auch nicht viel besser, in dieser eh... verwirrenden (und für mich extrem dunklen) Zeit der hilflosen und orientierungslosen Suche nach dem eigenen Ich und seinem Platz in der Welt.
Aus der Kirche ausgetreten bin ich aber bis heute noch nicht. Ja, warum eigentlich nicht? Gute Frage. Zum einen aus Faulheit, zum anderen aus Geiz (was irrsinnig ist, denn was ich über die Jahre unweigerlich dadurch an die Kirche abdrücke übersteigt die "Ausstiegsabfindung" um einiges), zum anderen... aus... Zweifel? Unsicherheit?

Nicht, weil ich irgendwann eine weiße Traumhochzeit mit Kirche und allem Pipapo will. Mir reicht, wenn überhaupt, auch eine standesamtliche Hochzeit im Kartoffelsack, wenn's sein muss, mit je einem Trauzeugen und leckerem Essen in einem guten Restaurant. Kinder und Taufe? Ich weiß seitdem ich 14 war aus absolut felsenfester und unumstößlicher Überzeugung, dass ich niemals selbst Mutter werde. Friedhof? Nun... lange Zeit war das ein Gedanke, ja. Beisetzung. Wie, wo, wenn überhaupt? Ich bin erst 33, aber denke schon immer viel über den Tod nach (zwangsläufig, nech...). Keine Ahnung, zumindest absolut keine bis vor ein paar Jahren, vorsichtshalber also lieber in der Kirche bleiben. Und dann ist da noch die soziale Ächtung, die mit dem Austritt verbunden ist. Nicht hier, ich wohne jetzt schon seit 14 Jahren hier, weit weg von meiner Heimatstadt. Hier dominiert der Evangelismus und auch erschreckend viele Freikirchen, im Pott oben war es ca. 50:50, würde ich schätzen, zumindest als ich noch dort lebte. Aber mit der römisch-katholischen Erziehung ging eben auch einher, dass dir schön unterschwellig eingetrichtert wurde, dass du schlichtweg verkackt hast, wenn du austrittst. Hoffnungslos verlorener Heide, der sich damit auf der Kirmes des Lebens einen Freifahrschein zur Hölle geschossen hat. Ich hörte schon die Steine fliegen allein beim Gedanken daran, obwohl ich zu der Zeit eh nur höchstens zu den Beerdigungen Verwandter ging und schon ewig kein Teil mehr irgendeiner oder gar meiner alten Gemeinde war.
Sich von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien kann ein extrem langwieriger Prozess sein, aber ich meine ich bin schon ein sehr gutes und weites Stück gekommen. Ächtung fürchte ich also auch nicht mehr, würde mich auch nicht als Heide im Exil fühlen. Im Laufe meiner Entwicklung als Mensch, auf dem Weg den ich bisher gegangen bin, dem Weg, den wir alle gehen, gemeinsam und doch jeder für sich, hat sich vieles verändert, mein Ich allem voran. Ich setze Glaube nicht mehr mit Religion gleich und Religion nicht mehr mit Kirche. Ich weiß, dass die Kirche auch viel gutes getan hat und immer noch tut, aber ich kann es für mich nicht mehr vor mir verantworten und mit mir vereinbaren Teil dieses "Vereins" zu bleiben.
Derzeit wäre meine Wahlmethode der Beisetzung eh die natürlichste; irgendwo offen liegen und die Natur einfach mal machen lassen, oder allerhöchstens einige Zentimeter tief in lockerem Boden verscharren, höchstens in Leinen gewickelt. Davor war es Kremation, kurz darauf Hydrolyse, aber warum darin mitmischen wollen, was die Natur perfekt und effizient ohne Zutun der Menschheit erledigt?
Auf jeden Fall muss ich mich also nicht für den unausweichlichen Fall meines eigenen Todes bei der Kirche auf diese Weise "versichern", denn ich möchte gar nicht auf einem christlichen Friedhof landen. Aber genau genommen ist es mir letztlich egal, wo mein Körper von der Welt recycelt wird. Denn er ist und war schon immer Teil der Welt. Und das meine ich im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Jedenfalls... entwickelte sich, kurz gesagt, mein anfangs felsenfester Atheismus im Laufe der Jahre eher in Richtung Agnostizismus, oder einem Hybrid aus beidem. Agnostischer Atheismus, wenn auch unsinnig, aber ja. In Ermangelung eines besseren Wortes und... Sicherheit statt Verunsicherung. Ich glaube an gute, zweifelnde, hinterfragende, neugierige und seriöse Wissenschaft, ich glaube daran, dass sie noch so viele mehr der großen Fragen klären können wird. Aber ich bin mir gleichsam auch sicher, dass es einfach ein paar Fragen gibt, die sie nie beantworten können wird. Nicht solange wir diese derzeitige Spezies von Mensch bleiben.
Bei mir wurde also aus "es kann keinen Gott geben/es gibt keinen Gott" eher "ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt, ich kann es weder be- noch widerlegen, ich bezweifle seine Existenz aber schon so irgendwie". Genauso wie daraus ein offeneres bzw. indifferentes "diejenigen, die glauben wollen, sollen's halt tun, für mich isses nix" geworden ist. Auch gebe ich zu, dass mir hin und wieder über die Jahre hinweg, in entsprechend beängstigenden Situationen, das ein oder andere Stoßgebet auf "gelernte Weise" entfleucht sein könnte. Das Zweifeln ging weiter, genau wie die Unsicherheit bzw. Verunsicherung. Anstoß meiner Suche, wenn man so möchte. Ohne Fragen keine Antworten.

Ist diese Suche, dieser Drang nach der Antwort auf die richtig großen Fragen, etwas urmenschliches, unsere Natur, immanent in uns? Was war vor dem großen Knall, wenn überhaupt? Kann sich das Universum spontan aus sich selbst erschaffen haben? Leerer Raum? Quantenmechanik? Wenn es Antworten auf die Fragen oder eine "Weltformel" gäbe - warum sind sie?
Wieder dieses "warum". Die großen Fragen des Lebens, auf die keiner eine Antwort kennt und meiner Einschätzung nach auch nie kennen wird. Heißt das, dass uns hinter diesen Grenzen nur der Glaube bleibt? Ein Gedanke, der mir bis vor kurzem und auch jetzt noch Angst bereitet, um ehrlich zu sein, denn die Unsicherheit hält mich nach wie vor in ihrem Griff. Wie kann der Mensch sich diesbezüglich je sicher sein? Ist es nicht das, was den Glauben ausmacht, also Misstrauen und Unsicherheit mit Vertrauen und Sicherheit ersetzen? Oder ist der Glaube gerade diese Verunsicherung und die Suche nach Sicherheit? Ist der Glaube die Fragerei? Keine Ahnung, ich bin kein Theologe. Ich bin nur auf der Suche. Wonach ist mir selbst noch nicht ganz klar. Aber ich spüre, dass dieser Drang auch in mir ist. Weswegen ich ja überhaupt erst suche und in letzter Zeit so schrecklich viel "rumhirne".

Ich glaube nach wie vor nicht an Gott. Zumindest nicht an einen persönlichen Gott so wie die Kirche ihn lehrt oder darstellt, nichts greifbares, nichts, was uns hört oder beobachtet oder über uns wacht oder uns antwortet oder Zeichen schickt oder uns helfen würde. Gott ist letztlich auch nur ein Begriff, der sich mit jedem x-beliebigen austauschen ließe. Ich könnte stattdessen auch "Dörte" sagen, oder sonstige Namen wählen, die sich die Menschheit im Laufe ihrer Existenz so ausgedacht hat, oder "Natur", "Naturgesetze", ,Quantenmechanik", "das Leben", "das Warum", "Universum" etc. - ich bin schließlich nur ein Mensch mit begrenztem Vokabular und Verstand und Vermögen das Ungreifbare zu greifen. Ich verstehe "Gott" aber als ein Synonym.
Wir sind ein winzig kleiner Fleck in einem unvorstellbar großen Universum, nichtig, bedeutungslos - und doch sind wir Teil dieses Universums, genau so wie jeder Neutronenstern, jedes schwarze Loch, jedes Quark, Atom, Element, was auch immer. Ohne uns wäre es nicht vollständig. Wir sind Sternenstaub, so kitschig das auch klingen mag. Wir sind all das. Wir sind eine Momentaufnahme einer unendlich langen Kausalverkettung, auf die wir außerhalb unseres Sonnensystems (noch) keinen wirklichen Einfluss nehmen können. Ich sage bewusst nicht "Zufall" oder "Schicksal". Sondern stattdessen "Ursache und Wirkung". Alles baut darauf auf, meinem Verständnis nach. Eine Kausalverkettung die bis suuuper kurz vorm Urknall zurückführt, zumindest soweit bzw. sofern wir das berechnen konnten, zurück geht. Doch was passierte @ Sekunde 0? Was davor? Hawking meinte es kann davor keinen Gott gegeben haben, der den Urknall verursachte oder auslöste oder das Schöpfungs-Domino damit in Gang setzte, denn vor dem Urknall gab es keine Zeit - und wie soll etwas, egal was, ohne Zeit bzw. Raumzeit existieren können? Mein Schädel explodiert gleich, lol. Also zurück zum Tod, der is' einfacher.

Ich glaube auch nicht an ein Leben nach dem Tod. Viele betrachten diese Sichtweise sicherlich als traurig oder schlicht bemitleidenswert, aber ich finde darin etwas ungemein tröstliches, ganz ähnlich wie in meinen oben beschriebenen "Momenten". Denn mit meinem Tod, dem Ende meines Lebens, meiner bewussten Existenz, also der Zeitspanne, in der ich mich als Ich erfahren durfte, endet das Leben nicht. Ich kehre zu dem zurück, von dem ich gekommen war, werde wieder zu dem, was ich immer gewesen bin, weswegen ich auch unbedingt eine natürliche Bestattung haben wollen würde. Nix einbalsamieren oder so. (Wobei ja alles, was wir Menschen erfunden, verändert, fabriziert haben, ebenso immer das war und ist, von dem es gekommen war und wieder zu selbigem wird, irgendwann, also auch Formaldehyd und Co., lol.)
Dazu ein Gedankenschnipsel, den ich vor ein paar Tagen ohne Kontext auf meinem Handy niedergeschrieben hatte:
Es gibt kein Leben nach dem Tod im christlichen Sinne. Mein Fleisch geht in Erde, Wasser und Luft über, kehrt heim, war immer daheim, immer das Heim. Es ernährt Bakterien, Pilze, Einzeller, Pflanzen, Würmer, Fliegen, Käfer, Vögel, Säugetiere, Menschen - das Leben selbst. Das Ich vergeht nicht, denn Ich bin alles und alles ist Ich. Ein Kreislauf, ein unendliches Wechselspiel aus und in sich selbst - auf einem Planeten der selbst nur ein fragmentarischer Teil des unfassbar Großen ist.
Wer weiß, irgendwann wird unsere Sonne in einer Supernova vergehen und reißt alles auf Erden mit sich, wird irgendwann vielleicht zu neuen Himmelskörpern, ermöglicht neues Leben in einer neuen Welt. Das Universum selbst ist das Leben.
Scheiße, das klingt alles widerlich extrem nach Pantheismus. Nicht, dass das etwas schlechtes wäre, Pantheismus ist meiner Meinung nach definitiv das kleinste aller Übel in Sachen Glaube oder spirituell-philosophischen Weltanschauungsmodellen. Das Problem ist nur, dass ich mich eigentlich davon loslösen wollte, mir irgendwelche "Label" zu suchen, irgendwelche Schubladen, die mir bei der Orientierung helfen, bei meiner Suche. Ich will mich nicht beeinflussen lassen, aber wie soll ich mich selbst erfahren, meinen Horizont erweitern oder bei meiner Suche vorwärts kommen, wenn ich mich dem Einfluss von außen, dem anderer Menschen und vor allem der großen Denker unter uns verweigere, verschließe? Egal wie ich's drehe oder wende, zu meinen "Momenten" und damit verbundenen Empfindungen, Gedankengängen und Schlussfolgerungen, Impulsen der Suche und des Reflektierens passt Pantheismus einfach am besten. Zumindest derzeit. Kann sich ändern, muss aber nicht. Muss es auch nicht. Begriffe sind letzten Endes doch egal, genau so wie alles andere, was hier auf Erden so passiert.

Pantheismus. Der optimistische Nihilismus der spirituellen Philosophie. Gott ist alles, alles ist Gott. Gott ist Natur, Natur ist Gott (na gut, das hatte Spinoza behauptet). Aber ja, alles. Natur, Leben, Universum, alles ist alles. Ich, du, Erde, Farbe, Autos, Neutronensterne, Materie, Energie, Sand, Luft, Magensäure, Gras, Wasser, Axolotls, Dinos, Galaxien, Bleistifte, deine Gamingmaus, mein Aquarium. Alles. Wirklich alles. Naturkatastrophen, Supernovae, Vergewaltiger, Morde, Kriege, Seuchen, Viren, Parasiten, Angst, Furcht, Zweifel, Glaube, Liebe.
Alles interagiert, alles beeinflusst sich, alles ist Ursache und Wirkung, alles wiederholt sich, Fraktale, im kleinen wie im großen Maßstab.
So verstehe ich das, und so sehe ich das auch. Irgendwie. Ich muss einfach noch mehr nachdenken. Mehr Input, mehr Output.

Keine Ahnung, wie lange die Suche dauern wird, ob sie jemals enden wird, ob ich jemals Antworten finden werde, oder ob allein die Suche schon das Ziel ist. Ich habe keine Antworten, genau wie alle anderen. Nur Fragen.

Monday, October 21, 2019

Warum JOKER (2019) so signifikant ist


Mit diesem Titel meine ich nicht nur, warum ich denke, dass Joker ein sehr signifikanter Film unserer Zeit ist, oder warum er so signifikant für diverse Individuen ist. Ich meine damit vor allem auch, dass er für mich persönlich so signifikant ist, dass er mich so immens berührt, er in mir so viel aufgewühlt hat, sodass ich sogar noch etliche Tage nach dem Kinobesuch neben der Spur war (und immer noch ein bisschen neben der Spur bin).


In meiner dezent chaotischen "Review" sagte ich, dass es nur ein Film ist, und während dies so stimmt, so sind (viele, nicht alle) Filme eine Form der Kunst, und Kunst reflektiert das menschliche Dasein und seine Interaktion und Korrelation (oft auch Kausalität) zwischen der eigenen Existenz und der Welt, in der wir leben. Diese Welt kann nur aus dem engen sozialen Umfeld bestehen, der modernen Gesellschaft als Ganzes (auch auf globaler Ebene), der Welt als planetares Habitat und so weiter.
Und Joker macht genau dies zum Thema, ein Thema, das für uns alle relevant ist.

Wir alle leben in dieser Welt, aber sind wir tatsächlich ein Teil davon und erfahren uns selbst als solches?
Haben wir die richtigen Werte, verfolgen wir die richtigen Ziele, um ein erfülltes Leben zu führen?
Werden nebst unseren materiellen und physischen Bedürfnissen auch unsere mentalen, psychologischen ausreichend befriedigt und genährt?

An dieser Stelle möchte ich einen höchst interessanten TED-Talk verlinken, der dieses Thema behandelt. Ich empfehle dieses Video an dieser Stelle zu sehen, ehe man weiter liest.




Ok, und was hat das nun alles mit Joker oder dir oder mir persönlich zu tun? Ich finde, das im Video Gesagte und im Film Gezeigte macht es eigentlich schon recht offensichtlich, aber ich werde natürlich noch versuchen, das Ganze auf meine Weise zu zerdröseln, auch, weil der Film in mir etwas los gestoßen hat, was ich durchdenken, sortieren, analysieren und entsprechend verpacken muss. Dieser Blogpost hier ist gleichsam also auch Teil einer Art persönlicher Therapie-Stunde für mich selbst. Es kann chaotisch und ungeordnet werden, also erwartet nicht zu viel. Erwartet am besten gar nichts hiervon.



Das dem Film Zugrundeliegende hat nichts mit Geschlecht, ethnologischen Gruppen, Religion oder dergleichen zu tun, denn Joker spricht etwas auf einem viel fundamentaleren, menschlicheren Level an, das jenseits dieser Dinge steht. Menschen, die also versuchen Joker als Film für den "weißen Mann", als gewaltverherrlichend etc. zu verunglimpfen, blicken nicht weit, nicht tief genug.
Ich bin weiblich, werde nächsten Monat 33 Jahre alt, bin seit 14 Jahren in einer festen Beziehung, stehe mehr oder minder mitten im Leben. Ich fühle mich durch den Film nicht angegriffen, falsch repräsentiert, bedroht, außen vor gelassen oder was auch immer. Im Gegenteil, ich kann mich mehr mit Joker, Film wie Figur, identifizieren und darin wiederfinden als mir eigentlich lieb sein sollte.
Zieht also eure Köpfe aus euren Ärschen heraus und versucht das Gesamtbild mit etwas mehr Offenheit und weniger Vorverurteilung zu betrachten (vor allem ihr lieben SJW). Versucht etwas menschlicher zu sein, denken, fühlen.


Eins unserer menschlichsten Grundbedürfnisse ist sozialer Natur. Wir sind soziale Tiere, brauchen einander. Wir brauchen Anerkennung, Wertschätzung, Wärme, Nähe, Zuneigung, Akzeptanz, das Gefühl jemand zu sein, etwas beizutragen, gesehen, gebraucht, geliebt, respektiert zu werden.

Was passiert, wenn man einem Menschen all dies versagt, willentlich und wissentlich oder nicht? Wenn man ihn links liegen lässt, sich selbst überlässt, ihm anstatt die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse zu bieten nur weitere Häme, Kälte, Ablehnung, Schläge in die Magengrube gibt, obwohl er daran bemüht ist sich Hilfe zu holen, auch indem er versucht diese Bedürfnisse auf eigene Faust zu befriedigen?
Warum sind wir schockiert darüber, dass jemand, den wir als gesellschaftliches System und zwischenmenschliche Kommune so lange vernachlässigt haben, entgleist und eventuell auch eskaliert, gegen andere oder gegen sich selbst gerichtet?

Warum wenden wir uns von denen ab, die leiden, zu kämpfen haben, Hilfe benötigen, warum belächeln wir sie als schwach oder krank oder verrückt oder entartet oder als etwas geringeres als uns selbst? Warum sagen wir ihnen "reiß dich zusammen", "stell dich nicht so an", "so schlimm kann es gar nicht sein", "steiger dich da nicht so hinein", "versuch das Ganze positiver zu sehen", wenn es doch offensichtlich ist, dass wir ihnen damit nicht helfen, sondern höchstens nur dazu beitragen, dass ihre Lage schlimmer wird? Warum sind wir so kalt, so egozentrisch?
Warum gehen wir davon aus, dass wir selbst die schwerste Last von allen zu tragen haben und alle anderen "nur so tun" oder unser Leid nicht nachvollziehen können?
Warum tun wir es als Selbstmitleid ab, wenn jemand sich darüber beklagt einsam zu sein, deprimiert zu sein, sich öffnet und sein inneres Leid, den Leidensdruck nach außen trägt, um irgendeine Form der Erleichterung und Besserung zu verspüren? Warum begegnen wir dem und anderen mit Hohn und Ablehnung anstatt mit Offenheit und Mitgefühl?
Was stimmt mit uns und dieser Denke nicht?!!

Selbstmitleid per se ist nichts schlechtes. Es ist essentiell für die eigene psychische Gesundheit, dass man Mitleid mit und Mitgefühl für sich selbst haben kann. Es ist ok so mitfühlend mit sich selbst zu sein, vor allem dann, wenn dies außerhalb von einem selbst sonst niemand tut. Es ist ok zu denken und zu sagen "ich hasse mein Leben", "mir geht's beschissen", "ich bin einsam", "ich leide", "warum ich?", und so weiter. Es sollte ok sein dies zu verbalisieren, nach außen tragen zu können, ohne dafür Häme, Verachtung und Ablehnung von außen zu ernten.
Aber anscheinend ist das nicht mehr salonfähig, nur noch in stillen Kämmerlein der Therapeuten dieser Welt akzeptabel - oder in noch verborgeneren Rahmen. Noch besser, behalte es besser für dich. Niemand will sich mit dem Leid anderer auseinandersetzen, hat Augen und offene Ohren für das Leid anderer. "Ist doch nicht mein Problem". Das ist halt einfacher, angenehmer, sauberer - Dinge, die einen nicht selbst betreffen, von sich zu schieben, sich damit nicht auseinandersetzen zu wollen. Ich bin da manchmal leider keine Ausnahme. Ich gebe es genau so wenig gerne zu, aber es ist einfach Fakt. Und das schiebe ich nicht von mir weg, egal wie hässlich es auch ist.

Jeder Mensch kann aber auch nur so viel ertragen. Man kann sich dem Leidensdruck anderer nicht immer zuwenden oder nicht für allzu lang, denn irgendwann ist das Maß erreicht, ab dem man keine Kraft mehr dafür hat, man eine Pause braucht. Ich weiß das. Und ich sage auch nicht, dass nur Einzelne dies zu schultern haben. Es ist tatsächlich das System (damit sind nicht nur gewisse Institutionen gemeint, sondern das globale menschliche System) an sich, dass dies schultern sollte, so abgedroschen und klischeehaft dies klingen mag, aber anstatt diese Wahrheit von uns wegzuschieben sollten wir ihr vielleicht einfach zugestehen eine Existenzberechtigung zu haben.
"Ist nicht meine Schuld." Bist du dir da wirklich ganz sicher? Welche Auswirkungen haben deine alltäglichen Handlungen und Worte auf die Mitmenschen in deiner unmittelbaren Nähe? Bist du dir sicher, dass du wirklich nichts zum Leid anderer beigetragen hast, vor allem, ohne dessen Folgen zu mildern zu versuchen?

Es reicht nicht wegzusehen, sich wegzudrehen, nur mit Medikamenten zu mästen, nur mit einem Menschen ein bis zwei Mal die Woche darüber zu reden. Es reicht nicht uns vorzugaukeln, Erfolg, Geld, Status wären alles, was wir zum Glücklichsein brauchen. Konsum und Kapitalismus, Manipulation und Werbung, Social-Media-Narzissmus und Oberflächlichkeit, Distanz, Vorverurteilung und Ablehnung. All das ist ein massiver, schwer tragender Grundpfeiler unserer modernen Leben, vor allem im digitalen Zeitalter. Und ja, das ist ein größeres Problem denn je und seinen Blick davon abzuwenden lässt es nicht einfach verschwinden. Das dürfen wir nicht vergessen.


Joker aber lässt dich das nicht vergessen, packt deinen Kopf, dreht ihn einem Teil dieser Wahrheit zu, hält dir die Augen gewaltsam auf á la "Clockwork Orange", zwingt dich hinzusehen. Vielen macht das Angst, zwingt er sie doch dazu auch die eigenen Unzulänglichkeiten und Fehler zu sehen; lässt sie zurückschrecken und sich dann in Anfeindungen flüchten oder es als Schmu abtun, weil das ist einfacher, angenehmer, sauberer. Wer betreibt schon gern derart intensive Selbstreflexion, klopft an die Tür der eigenen Fehler oder Dämonen? Oder fühlt sich wohl dabei, dass Joker ganz klar mit dem Finger darauf deutet wie kaputt unsere Gesellschaft und unser System ist und dass jeder von uns ein Teil des Problems ist, denn wir sind alle Teil des Systems, egal ob man sich eher als z.B. Arthur Fleck oder Thomas Wayne sieht?
Es verwundert mich daher kein bisschen, dass der Film für so viel Furore gesorgt hat.


Ich wurde jedenfalls vom Film ab der ersten Sekunde abgeholt, habe mich verstanden, wiedergespiegelt gefühlt. Sogar Trost habe ich ihm gefunden, Freude, Genugtuung. Habe mit Arthur mitfühlen, mitfiebern, ihm applaudieren können und wollen. Nicht mal unbedingt für die Morde, nicht für das fehlende Gewissen - aber für sein Loslösen, seine Selbstakzeptanz, sein Für-sich-selbst-einstehen, seine Wandlung, seine Befreiung - und auch, dass er das selbst zelebriert.

Es geht dabei auch nicht nur um psychische Störungen oder dergleichen; jeder, der versucht es darauf zu begrenzen oder einzuengen macht den gleichen Fehler in Grün wie diejenigen, die den Kern des Films auf andere Weise verkennen.

Das einzige, was ich vielleicht an Joker kritisieren könnte, ist die vermeintlich dargestellte Verbindung zwischen mentalen Störungen und Gewalt, aber... da herrscht keine Kausalität vor, sondern nur eine Korrelation, sogar im Film selbst, es ist also nicht nur Subjekt subjektiver Interpretation. Das ist ein weiterer Knackpunkt. Er sagt keine Sekunde lang, dass die Morde nur passiert sind, weil Arthur psychische Störungen hat. Die Morde sind passiert, weil er über den Rand des für einen Menschen Ertragbare bzw. Erduldbare getrieben wurde. Die unzähligen Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen. "Mit dem Wahnsinn verhält es sich wie mit der Schwerkraft; oft genügt schon ein kleiner Schubs." Bei Arthur waren es extrem viele Schubser, während er verzweifelt versucht hat sich festzuhalten und nicht zu fallen. Hätten die meisten es geschafft so lange durchzuhalten?

Um eins klarzustellen: Nur eine Minderheit der "psychisch Kranken" wird nach außen hin gewalttätig. Die meisten Morde werden von (vorher) sonst psychisch unauffälligen Menschen begangen.

"Verrückt" ist auch so etwas, was einen (vielleicht unfreiwilligen) verächtlichen Beigeschmack hat bzw. haben kann. Wir alle haben das Potential in uns diesen Punkt zu erreichen. Jeder von uns hat den Keim psychischer Störungen in sich, jeder von uns hat eine Spur Narzissmus, Depression, Wahn, Selbstzerstörung, Angst, Unsicherheit, etc. in sich. Ver-rückt heißt nicht, dass man aus heiterem Himmel durchdreht und nicht mehr zurechnungsfähig ist, ver-rückt heißt nur, dass eins oder mehrere dieser Elemente der menschlichen Psyche überhand nehmen, verstärkt werden - bis zu dem Punkt, wo sie beginnen Schaden anzurichten. Verrückte sind also auch nur normal, und Normale potentiell verrückt. Was ist normal, was verrückt? Auch das wird von außen, von dem Übereinstimmen der Masse definiert. Es ist aber ein Spektrum, eine Gratwanderung, manchmal ein Drahtseilakt.
Jeder von uns trägt den Keim eines Arthur Flecks in sich, egal ob wir uns dessen bewusst sind oder es wahrhaben wollen oder nicht. Es ist schlichtweg einer der vielen Aspekte der menschlichen Natur.

Man muss also nicht in der exakt gleichen Situation wie Arthur (gewesen) sein, um seine Gedanken, Emotionen und Beweggründe nachvollziehen zu können. Jeder wird an zumindest einer Stelle irgendwie mit ihm mitfühlen können. Manche an mehreren Stellen, manche wiederum an (fast) allen. Und jeder Fall davon ist ok.

Ich für meinen Fall konnte jede einzelne Situation und Szene nachempfinden, aus meiner persönlichen Sichtweise und Erfahrung heraus, versteht sich. Und das hatte bislang noch kein einziger Film auf die Art und Weise und in dieser umfassenden Vollständigkeit geschafft.

(Die genauen Mechanismen dahinter und deren Auswirkungen auf mich werde ich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt hier darstellen und ausbreiten - das hier is' ja immerhin ein Blog, und nachdem ich's stellenweise angedroht hatte... aber ich brauche gerade eine kleine Pause.)



Ist Joker der erste Film, der all dies thematisiert? Nein. Ist er der Film, der es am besten bewerkstelligt hat? Nein. Ist Joker der beste Film aller Zeiten? Nein. Ist Joker dennoch mein neuester absoluter Lieblingsfilm? Ja, ja und nochmals ja.

Warum? Er hat einfach so viel so extrem richtig gemacht. Visuell und musikalisch wunderschön, thematisch hinterfragend, aufrüttelnd, unangenehm, emotional, ehrlich, schmerzhaft, fast unerträglich nihilistisch, befriedigend und noch so viel mehr. Für mich ein Meisterwerk, hohe Kunst und ganz großes Kino.

Allein dass ich noch nie zuvor wegen und über einen Film so viel nachgedacht und niedergeschrieben habe, spricht Bände. Aber es hat mir selbst gut getan, war ein großes Stück heilsam für mich, Balsam für die Seele, der Film sowie meine Gedankenprozesse dazu. Auch deswegen empfinde ich den Film als Geschenk, bin dankbar. Ob ich alleine damit bin? Keine Ahnung, unwahrscheinlich. Spielt das eine Rolle? Vielleicht.


Zum Abschluss noch zwei empfehlenswerte Videos:




Friday, October 18, 2019

Die Metamorphose des Arthur Fleck - JOKER 2019 (Mix aus Review, Analyse und Interpretation)

Edit: Diese Charakterstudie und der studierte Charakter sind so derart komplex, dass es für mich schwer ist in einer geordneten Art und Weise meine Gedanken darüber zu sammeln und auszudrücken. Ich werde den folgenden Text immer mal wieder überarbeiten, bis ich hoffentlich bei einer einigermaßen klaren Struktur angekommen sein werde.

Vorwort


Dass der folgende Text Spoiler enthält, könnt ihr euch sicherlich selbst denken. Daher bitte nur lesen, nachdem ihr den Film Joker gesehen habt. Falls ihr dies noch nicht getan habt, ändert dies schnellstmöglich; denn was auch immer man selbst von dem Film halten möge, ob man ihn liebt oder hasst, feiert oder abstoßend findet - jeder sollte ihn meiner Meinung nach gesehen haben. Er ist ein Meilenstein einer dramaturgischen Charakterstudie, ein Meilenstein der aktuellen und modernen Kultur und Gesellschaft á la “gute alte Schule” und einfach nur Kunst in ihrer offensten und auch provokativsten Form, in dem Sinne, dass sie einen selbst dazu anregt, gewollt oder nicht, zu reflektieren.
Ebenfalls muss ich nicht erwähnen, dass der folgende (zugegeben etwas chaotischer bzw. ungeordneter) Text meine ganz persönliche Sichtweisen beinhält und ich von niemandem erwarte, damit übereinzustimmen.


Vorweg möchte ich nicht nur die Kinematographie dieses Meisterwerks lobend erwähnen, von Kamera über Schnitt zu Farbgebung, oder die absolut umwerfende schauspielerische Leistung von Joaquin Phoenix, sondern auch den Soundtrack. Die gewählten Instrumente (wie z.B. das Cello) und Tonlagen untermalen das Gezeigte und Gefühlte auf eine großartige Weise, die mir im Kino fast das Herz im Brustkorb zerrissen hat (und dies meine ich durchaus positiv). Auch die gekonnte nahezu kakophonische Verwendung von Melodien inklusive metallisch und industriell klingender Geräusche betont die Leere, Kälte, Oppression, Pein, Peinigung, Tragödie und Ironie des Lebens des Arthur auf eine meisterhafte und kunstvolle Weise. Ich bin noch nie mit einem solch rundum glücklichen und wohligen Gefühl der Befriedigung und Zufriedenheit aus einem Kinofilm gegangen, auch Dank der Musik. Ich werde mir den Film sowie den Soundtrack in der bestmöglichen Fassung bzw. Version zulegen, so viel ist sicher. Dieser Film ist ein Geschenk, und dafür bin ich einfach nur dankbar. … Ich schweife ab.


Hier möchte ich auch gar nicht darüber debattieren, welche der möglichen Interpretationen des Endes oder gar des ganzen Films nun richtig sein könnte. Ich habe mir diverse Theorien dazu durchgelesen und kann nur sagen; alle davon sind plausibel - aber welche letzten Endes “richtig” ist, spielt keine Rolle (mal davon ab, dass jede Interpretation höchstwahrscheinlich eh höchst subjektiv und damit sowieso für den Einzelnen die einzig richtige ist). Es ist schlichtweg egal, denn ob dies alles sich nur in seinem Kopf abspielte, eine Art Tagtraum war, oder ob er sich nur zurückerinnerte, usw. … es hat keinerlei Auswirkung auf die Geschichte selbst und die Wirkung derselben auf den Zuschauer, denn die werden dadurch nicht zunichte oder ungültig gemacht.

Bei diesem Film geht es mir persönlich nicht nur um das Gefühl des Verstandenwerdens oder der Selbstbefreiung aus Apathie, Peinigung und Tragödie durch jemand anderen, oder der Zelebrierung der Selbsterkennung und Selbstakzeptanz oder gar um den durchaus fragwürdigen Gebrauch von Selbstjustiz.

Kurzum: Ich bin hin und weg von dem Film. Ich liebe ihn. Ich feiere ihn. Sollte ich mir deswegen Sorgen machen? Möglich. Werde ich deswegen selbst zum Joker? Natürlich nicht. (Wiederum… mal unter uns, wenn wir ganz ehrlich mit uns selbst sind... sind wir nicht alle ein kleines bisschen Joker? Wenn auch nur manchmal? Oder nur zu einem winzigen Bruchteil?)

Aber es ist schön, Arthur Fleck auf seinem Weg zu Joker begleitet haben zu dürfen, mit ihm mitgefühlt und mitgelitten zu haben, mit ihm mit gefeiert zu haben, ihn gefeiert zu haben (als er zum ersten Mal als voll entwickelter Joker in den Fahrstuhl stieg, sich umdrehte, sein Blick in Gedanken verloren in der Leere zu hängen schien und er einen Mundwinkel nach oben zog ist mir fast das Höschen vor lauter aufrichtigem Glück und Freude für ihn weggeflogen) und ja, auch mit ihm zusammen genossen zu haben, dass er sich via blutiger konsequenter Vernichtung negativer Menschen um sich herum selbst befreit hat. Dafür sind Filme doch auch da, oder? Uns Ottonormalmenschen das zu zeigen und uns als Ventil darzubieten, was im wahren Leben eben Tabu ist. Es ist und bleibt nur ein Film, also bleibt auf dem Boden.

*räusper*
Gehen wir etwas geordneter vor.


Die Metamorphose


Alles in und an Arthur befindet sich im Prozess einer Metamorphose. Metamorphose bedeutet hierbei nicht, dass Zustand A ohne offensichtliche Verbindung oder Korrelation zu Zustand Z wird; so wie bei der Raupe von Anfang an der Bauplan für seine finale Form als Schmetterling existent ist, so ist der Joker bereits seit Anfang in Arthur verborgen. Die Metamorphose beschränkt sich dabei auf den Prozess des Erkennens dieser Tatsache, des Sichzueigenmachens dieser bis zum Erreichen der finalen Form.

Das Lachen ist definitiv das prägnanteste offenkundige Merkmal an Arthur. Zuerst wird es klar als unkontrollierbare, fehlgesteuerte emotionale Reaktion dargestellt (Affektinkontinenz; anstatt zu weinen oder zu schreien, lacht er), die andere nur noch mehr dazu verleitet Arthur mit einer hochgezogenen Augenbraue abschätzig zu beäugen. Es ist ein qualvolles Lachen, dass er zu unterdrücken versucht, es aber nicht unterdrücken kann. Es ist sowie für Arthur als auch für den Zuschauer schmerzhaft, erinnert stellenweise an ein Ersticken. Man empfindet beklommenes und beklemmendes Mitleid, würde ihm am liebsten irgendwie helfen, ihn trösten, muss aber untätig beistehen. Gleichsam applaudiert man ihm dafür, dass er trotz dessen z.B. seinen Comedy-Auftritt durchzieht.

Arthur ist eigentlich ein netter, liebevoller, selbstloser Kerl, der die Bedürfnisse und das Glück anderer über seine eigenen stellt. Er kümmert sich aufopfernd um seine Mutter, will andere zum Lachen bringen, ihnen etwas den Tag und das Leben versüßen. Als Berufsclown schafft er das auch zum Teil, er macht seinen Job gut, aber er fühlt sich dazu berufen einen Schritt weiter zu gehen und Comedian zu werden. Seine Absichten und Ziele sind pur, gutherzig.
Natürlich will er dadurch auch erreichen, dass seine eigenen Sehnsüchte nach Anerkennung, Akzeptanz, Zuspruch etc. erfüllt werden. Jeder vermeintlich selbstlose Akt unsererseits ist letztlich eigennützig orientiert. Das ist einfach Fakt, meiner Meinung nach. Nichts verwerfliches daran, aber machen wir uns nichts vor.
Doch ist da alles weiterhin existent, tief in seinem Inneren verborgen, was er unterdrückt, verdrängt, von sich schiebt und was diesen verzweifelten Versuch nach dem Erlangen dieses Guten in seinem Leben trübt, beschmutzt, verhindert, erstickt. Die verdrängten Traumata, das erneute und wiederholte Einstecken von immer wieder auftretenden Demütigungen, Verletzungen, Ablehnungen, Ausbeutungen von außen, durch andere, selbst durch vermeintlich gutherzige, ihm nahe stehenden Menschen. Peinigende Wahrheiten und die schmerzvolle Erkenntnis selbiger.
Was als pathologisches Lachen beschrieben wird, einer in der Neurologie begründeten physischen Störung, ist meiner Einschätzung nach bereits in Arthurs Kindheit ein Schutzmechanismus gewesen, mit dem er versucht hat alles Unerträgliche wegzulachen. Alles, was er nicht ertragen konnte, versuchte er dadurch an Intensität zu dämpfen, erträglicher zu machen, den Schmerz zu lindern, andere zu beschwichtigen, sie davon abzubringen ihn weiter zu verletzen. Es ist erlerntes Verhalten, wie so vieles in Arthurs Repertoire und hat ihn von Kindesbeinen an maßgeblich geprägt, wurde untrennbar mit seiner Persönlichkeit verwoben. Er sagt selbst, dass er erkannt hat, dass es sein wahres Ich ist und immer war. Dies gilt nicht nur für sein Lachen, sondern auch für Joker selbst. Joker war immer da, immer in ihm verborgen. Diese Erkenntnis erlaubt es ihm, sich vollkommen dieser Identität hinzugeben, darin aufzugehen, sich dadurch zu befreien. Sich selbst kompromisslos anzunehmen und zu akzeptieren, mit allen Teilen seines Selbst, allem, was er erlebt hat mitsamt allen Auswirkungen und Konsequenzen.

Sein Lachen, wie er selbst, verändert sich aber über den Film hinweg, untersteht ebenfalls einer Metarmorphose. Es ist meiner Meinung nach keine pathologische neuronale Störung sondern ein Selbstschutz- und Verarbeitungsmechanismus, aber auch Mittel zur Manipulation bzw. zum Erreichen sozialer Akzeptanz bzw. Einfügung - anfangs unbewusst, später immer bewusster und zielgerichteter.

Zum Beispiel lacht er übertrieben und aufgelegt über den bissigen Witz eines Arbeitskollegen - und kaum ist er außer Hörweite für die Kollegen getreten, verstummt sein Lachen mit einem Schlag. Als Randall und Gary ihn besuchen, lacht er über den überheblichen Kommentar Randalls, um ihn zu mildern und sozial konform zu reagieren. Auch als er andere Stand-Up-Comedians regelrecht studiert, mimt er das Verhalten, in dem Fall das Lachen, anderer Zuschauer. Er ist innerlich so leer, so anders, so abgeschottet und entartet, dass er selbst nicht beurteilen kann, wann es allgemeingültig richtig wäre zu lachen, also orientiert er sich an den Reaktionen, konkret dem Lachen, der anderen Besucher der Show (natürlich zeitlich verzögert, weil er erst den Witz und die Reaktionen gedanklich verstehen und entsprechend verarbeiten muss). Er lernt sich wie jemand “normales” zu verhalten und sein Lachen ist deutlich unecht, gespielt, künstlich, kopiert.

Relativ früh im Film sehen wir aber auch ein erstes ehrliches Lächeln von Arthur, das sich komplett anders darstellt. Zum Beispiel als er die Frau im Taxi mit Clownsmaske sieht, breitet sich über seinem Gesicht ein derart offenes, herzliches und ehrliches, fast schon kindliches Lächeln puren Staunens und der Freude aus, das einem das Herz wärmt. Er freut sich zu sehen, dass andere Menschen endlich seine Existenz bemerken und er eine Wirkung auf andere hat, ob sie es wissen oder nicht.

Generell ist sein Humor nicht alltäglich oder massenkonform. Ein Großteil davon ist ebenfalls erlernt, kopiert. Er hegt den Traum als Stand-Up-Comedian gesehen und akzeptiert zu werden, kommerzieller Erfolg spielt dabei überhaupt keine Rolle. Ihm geht es nicht um Geld oder dergleichen, ihm geht es um Validation, Gesehenwerden, Wahrgenommenwerden, einen positiven Einfluss auf andere zu haben, indem er sie zum Lachen bringt. Doch seine Witze kommen bei seinem Publikum nicht so gut an wie bei ihm selbst, was daran liegen kann, dass er zum Teil nur Witze schreibt mit dem Ziel, den Geschmack und Humor anderer, zu dem er selbst aber keinen eigenen Bezug hat, zu treffen und zu bedienen.

Die Witze, die er vorrangig für sich selbst schreibt, sind per se nicht das, was man gemeinhin als Witz definieren würde; aber im Rahmen der makaberen Ironie seines Lebens erscheinen sie für ihn in einem unweigerlich bitterbösen witzigen Licht. Lachen, um nicht weinen zu müssen. Galgenhumor. Dunkel, düster, verquer. Nachvollziehbar? Für mich absolut. Für die breite Masse? Vermutlich weniger?!
Sie sind auch vor allem Verarbeitungsmechanismus bzw. ein Mechanismus, der bewirken soll, dass das täglich erfahrene Leid gemildert wird, sein innerer Schmerz gedämpft wird. Wir sehen ihm dabei zu, wie er einen dieser Witze verfasst; "The worst part about having a mental illness is... people expect you to behave as if you d☺n't". Auf der gleichen Seite sehen wir noch drei andere Witze, wir können aber nur erkennen, dass einer davon sich um Insomnie dreht, ein zweiter um Armut. Sein Humor wie sein Lachen sind Arthurs verzweifelter Versuch das Unerträgliche etwas erträglicher zu machen, das kreischende Dröhnen der Negativität verstummen zu lassen.
Auch z.B. sein Witz über seine Schulzeit spricht meiner Annahme nach Bände. Er sagt, er habe die Schule gehasst als Kind - wahrscheinlich, weil er während seiner Schulzeit Ziel von Spott, Ausgrenzung, Mobbing und körperlicher Gewalt war, aufgrund seines Lachens und seiner offenkundigen innerlichen wie äußerlichen Abschottung. Die beiden gezeigten Vorfälle, bei denen Arthur Ziel von Gewalt wird, sind also garantiert nicht die ersten oder einzigen, die er neben des Missbrauchs im Zuhause seiner Kindheit oder als Erwachsener erfahren musste.

Wie wir muss auch vor allem Arthur feststellen, dass er mit seiner Art Humor alleine zu sein scheint; die Geste mit der imaginären Knarre an der eigenen Schläfe, deren Abzug er betätigt, empfindet nur er als positiven Galgenhumor, bei seinen Mitmenschen kommt diese Geste nicht gut an, wie bei der gezeigten bitteren Realisation darüber, dass alles, was vermeintlich zwischen ihm und seiner Nachbarin Sophie passiert ist, nur sein reines Wunschdenken und ein Auswuchs seiner lebhaften Imagination war. Die einzigen Momente der Wärme, Nähe, des Trosts und Verständnisses erfährt Arthur ausschließlich in seiner Fantasie, in Momenten der Flucht vor der Realität. Arthur ist allein, emotional wie zwischenmenschlich, war immer allein - und diese Erkenntnis gibt ihm letztlich den Rest.

Der zuvor gezeigte Verrat an ihm durch die von ihm erwählten Vaterfiguren Murray Franklin und Thomas Wayne stellen einen weiteren wichtigen Punkt in seiner Entwicklung dar, sie treiben Arthur weiter an den Rand des Erduldbaren. Als sein Comedy-Clip in der Murray Franklin Show gezeigt wird, freut sich Arthur zunächst darüber, dass sein Traum selbst Comedian zu werden greifbarer denn je zu sein scheint - doch dann wird er im nächsten Moment direkt von Murray mit Füßen getreten, als Arthur erkennt, dass Murray sich seiner nur bedient, um ihn öffentlich zur Erheiterung der Massen lächerlich zu machen. Die Wut und der blanke Hass quellen über. Verzweifelt wendet sich Arthur der vermeintlichen Vaterfigur Thomas Wayne zu, doch dessen Eiseskälte und der Schlag mit der Faust ins Gesicht ist ebenfalls vernichtend für ihn.

Als nächstes folgt die Szene mit und im Kühlschrank, doch darauf komme ich erst in ein paar Zeilen zu sprechen.



Auch seine Körpersprache befindet sich im Begriff der Metamorphose.

Anfangs kann man regelrecht das Gewicht auf Arthurs Schultern nicht nur sehen, sondern spüren - die Schultern nach vorn gezogen, Kopf gesenkt, Rücken gerundet und jeder Schritt scheint schwerfällig, so als wäre die Erdanziehungskraft in Gotham stärker als andernorts. Er ist in sich gekehrt, abgeschottet, bedrückt und sein Körper schreit seine zu tragende Last förmlich heraus.

Generell ist sein Gang eher steif, holprig, man kann ein leichtes Hinken erahnen, Zeuge dessen, was Arthur in der nahen Vergangenheit, aber auch in seiner Kindheit angetan wurde. Er ist ganz offenkundig nicht nur ein geprügelter, sondern ein regelrecht geschundener Hund.
Ja, zweifelsohne ist seine frühe Vergangenheit etwas, was ihn bis ins Erwachsenenalter geprägt hat und ihn weiterhin beeinflusst, wie könnte es auch nicht? Ich möchte hierbei gar nicht auf wahrscheinlich zutreffende Diagnosen wie z.B. PTSD oder Depression eingehen, denn solche Begriffe ändern nichts an dem Korpus und Ausmaß der Symptome und Folgen, die sein Ich so mannigfaltig prägen. Dass Missbrauch psychischer, physischer und auch sexueller Natur sowie Vernachlässigung etc. verheerende Folgen auf jeden Menschen, vor allem aber Schutzbedürftige, haben, steht vollkommen außer Frage.

Allein die bittere Ironie darin, dass seine Adoptivmutter sein pathologisches Lachen in seiner Kindheit als Glücklichsein fehlgedeutet hat, zerreißt mir schmerzvoll das Herz. Auch die Ironie darin, dass sie ihn über Jahre hinweg "Happy" ruft, ein Spitzname von dem sie glaubt, er würde ihre Liebe und Wertschätzung zu ihrem Sohn ausdrücken.

Er war bemüht die Folgen dessen auf konventionellem und sozial akzeptiertem Wege zu tilgen. Er hat sich Hilfe gesucht, nimmt Medikamente in der Hoffnung, dadurch seinen Schmerz und die fortwährend anhaltenden negativen Gedanken zu mildern. Doch das System lässt ihn im Stich. Er ist auf sich allein gestellt.

Warum fragt er in Arkham den Archivar danach, wie man in der psychiatrischen Abteilung landet? Wir erinnern uns, anfangs während seiner Therapiestunden bei den Social Services erwähnte er, dass es ihm in Arkham am besten ging (wahrscheinlich weil er dort so etwas wie Hilfe erhielt und er auf der Geschlossenen schlichtweg gegen das negative Einhämmern auf ihn durch andere Menschen, deren Handlungen und Schicksalsschläge im allgemeinen abgeschirmt und davor sicher war). Wir sehen zwar in einem kurzen Flashback, wie er seinen Kopf wiederholt gegen das Glasfenster seiner Zimmertür schlägt, aber auf autoaggressives Verhalten will ich hier erstmal nicht eingehen. Jedenfalls wird dadurch aber klar, dass er zuvor bereits in Arkham stationär untergebracht war. Warum sollte er also danach fragen, wie man es schafft dort hinzukommen?
Nun, vielleicht, da ihm seine ambulante Therapie der Social Services genommen wurde,  er versucht wieder an konventionelle Hilfe zu gelangen. Oder weil er selbst merkt, dass er nicht mehr lange durchhält (zu diesem Zeitpunkt hat er den Dreifachmord bereits begangen) und zurück zur schützenden dumpfen Stille und Abschottung Arkhams zurück möchte. Oder vielleicht sogar auch, weil er es nicht noch schlimmer kommen lassen möchte, verhindern möchte, dass es dazu kommt, dass er sich und weiteren anderen das Leben nimmt. Er ist sich bewusst darüber, dass seine Gewalttaten gegenüber anderen falsch sind. Aber er weiß sich selbst nicht zu helfen, also tastet er auf diese Weise vorsichtig nach Hilfe, doch der Archivar verweist auf die gestrichenen Social Services zurück. Konventionelle Hilfe ist für Arthur nicht mehr in Sicht.

Der Schlüssel dazu Hilfe zu finden und seinen Zustand zu bessern muss also nun ein anderer sein und nachdem die letzte Faser des seidenen Fadens für Arthur gerissen ist, er Rache an seiner als fürsorgliche Mutter getarnten Peinigerin übt, findet Arthur diesen auch. Suizid.
(Der Mord an seiner Adoptivmutter ist meiner Meinung nach übrigens der einzige Mord, der aus purem Wunsch nach Abrechnen und Rache heraus motiviert war.)

Arthur hat schon seit längerem Suizidgedanken, zumindest seit dem Zeitpunkt, ab dem wir ihn begleiten. Der Witz, den seine Therapeutin der Social Services in der zweiten Szene aus seinem Notizbuch vorliest, zeugt deutlich davon. Jedoch sind Suizidgedanken und klare Suizidabsichten zwei verschiedene paar Schuhe; Gedanken sind nur Gedanken, Flucht und Suche nach Erleichterung, während Absichten in einem durchdachten und kalkulierten Plan ausgearbeitet werden können.
Der Beschluss sich das Leben zu nehmen, nachdem man jedweden Halt verloren und keine Aussicht darauf hat erneuten Halt zu finden, kann ungemein befreiend sein. Dieser neue Schlüssel verschafft Arthur eine bis dahin ungeahnte innere Freiheit, Erleichterung und Unbeschwertheit.
Seine innere Metamorphose ist bereits vollständig abgeschlossen, bevor Gary und Randall ihn daheim besuchen und noch bevor bzw. während er seine Adoptivmutter erstickt. Die fantastisch umgesetzte und dargestellte äußere Verwandlung bzw. Angleichung an sein Inneres folgt kurz darauf.


Als Joker zeigt er demzufolge eine komplett gegenteilige Gestik und auch Mimik, frei, unbeschwert, offen und expressiv. Er tanzt auf der Treppe nach dem Rhythmus und den Klängen der Musik in seinem Inneren, transportiert diese Musik von innen nach außen, lacht offen und ehrlich über für ihn als positiv empfundenen Gedanken und Gefühle. Er geht vollkommen darin auf, kann sich restlos fallen lassen. Und dieses wunderschöne Schauspiel zu beobachten hat auch mich freudig, erfüllt, glücklich fühlen lassen. Für ihn, für mich, für jeden, der einen solchen Moment der vollkommenen inneren Freiheit und Losgelöstheit jemals erleben durfte.

Direkt bevor er Randall tötet, verzerrt er seinen Körper in einer unwirklich wirkenden Pose. Bevor er in der Show die Bühne betritt, besinnt er sich seinen Körper verzerrend und dann tanzend in seine Form als Joker. Er wirft die Last ab, öffnet sich und seinen Körper.



Gehen wir nochmal einige Szenen zurück. Als Arthur den Kühlschrank ausräumt und hineinsteigt tut er dies nicht unbedingt, um sich einen Kokon zur Verpuppung zu schaffen, sondern vielmehr, um den unerträglichen Druck dieser unerträglich erdrückenden Decke aus Leere und Kälte und der schreienden metallischen Stille Gothams und seiner Einwohner auf ihn abzudämpfen. Im Hintergrund hören wir den Anruf des Polizisten - und Arthur entzieht sich, schottet sich ab, verschwindet.
Als er wieder aus dem Kühlschrank heraus tritt, hört er auf davon zu rennen, sich in Fantasien zu flüchten, sondern stellt sich den Dingen die waren und sein werden. Der Kühlschrank ist also nicht unbedingt ein Kokon der Metamorphose zu Joker, aber dennoch ein entscheidender Wendepunkt in seiner Charakterentwicklung.

Die Metamorphose findet nicht in diesem oder einem anderen Kokon außerhalb Arthurs statt, wie von anderen vermutet - er selbst ist der Kokon. Die Metamorphose wird ganz offenkundig und frei dargestellt, zuerst mit weichen, fast schon zaghaften, erforschenden, resonierenden und immer akzeptierenderen und fließenderen Bewegungen und einer befreiten, fast schon unschuldigen Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht - wie zum Beispiel während des wunderschönen Tanzes in der öffentlichen Toilette nach seinem ersten Mord an den drei jungen Männern. Sein erster Moment der Selbstwahrnehmung, Selbsterkenntnis, Selbstakzeptanz. Er “hat Musik in sich” und hört während seines Tanzes diese Musik tatsächlich in seinem Inneren, transportiert sie nach außen.

Arthur erfährt während bzw. direkt nach diesem ersten Dreifachmord das erste Mal in seinem Leben eine Art Kontrolle und Einfluss auf die Welt um ihn herum sowie auf sein eigenes Leben, die er vorher nie kannte. Bisher war es stets Gotham mitsamt seiner Einwohner, das sich bedrohlich und einengend über ihn aufbäumte, ihn unterdrückte, niedermachte und ignorierte. Er sagte selbst, dass er stets das Gefühl hatte nicht zu existieren - und dieses unbeschreibliche und lähmende Gefühl der Leere, Apathie, Ohnmacht und Dissoziation kann manchmal schlimmer sein als der größte akute psychische Schmerz.
Doch als er den Abzug der Waffe betätigt, befreit sich Arthur schlagartig selbst von dem dumpfen grau-trüben Dunst Gothams der bis dato seine nicht wahrgenommene Existenz darstellte. Es geht dabei nicht nur um Notwehr oder Rache oder die Dokumentation des Zerfalls der Psyche, es geht um das Erfahren des eigenen Selbst, des eigenen Potentials und die Konsequenzen der Einwirkung auf andere, das Gefühl und die Erkenntnis, doch nicht nur ein nicht wahrnehm- und beachtbarer Schatten oder Geist zu sein. Die Erkenntnis und das Bewusstwerden der eigenen Existenz. Die Befreiung von der Peinigung der Vergangenheit und Gegenwart, der Akzeptanz, der Umarmung derselben, der Auswirkungen dieser auf das eigene Selbst, das Selbst als Resultat dieser Einflüsse. Das ins-Reine-kommen mit sich und der Welt um sich herum.
Arthur fühlt sich das erste Mal in seinem Leben lebendig, erfährt sich als jemand. Er breitet sprichwörtlich seine Flügel aus und erblickt in seinem Spiegelbild zum ersten Mal sein eigenes wahres Ich.
Davor hatte er seine wahren Gefühle immer hinter einem Lachen verborgen, doch nun beginnt er sich zu öffnen, ehrlich zu sein, seine Gedanken frei zu äußern.

Mit jedem weiteren Mord treibt er ziellos aber instinktiv diesen Prozess, diese Befreiung und Weiterentwicklung voran.
Die Morde sind für ihn Befreiung der negativen Einflüsse und Schädigungen von außen, er löst sich davon los, entledigt sich dieser, tilgt sie aus seiner Welt. "Everything must go", "Alles muss raus/weg", das Schild der zweiten Szene beschreibt dabei bereits früh auf subtile Weise, was Arthur zu tun hat, damit er sich befreien, sich entfalten, atmen, leben kann.

Als seine ehemaligen Arbeitskollegen ihn nach dem Tod seiner Adoptivmutter besuchen, sieht Arthur zuerst Randall und zeigt eine offen vorsichtige, skeptische, defensive Haltung, da auch Randall bisher zu seinem Leid via bissiger, schnippischer Kommentare mit dem Ziel Mitmenschen lächerlich zu machen, beigetragen hat. Erst als er Gary sieht, der immer nett zu ihm war (was Arthur nach dem Mord an Randall auch noch einmal zu Gary sagt), lockern und öffnen sich seine Gestik und Mimik.
Er weiß, dass Randall nur selbstsüchtige Motive im Hinterkopf hat, ist also auf der Hut, auf der Lauer, lacht hämisch über dessen bissigen und abschätzigen Kommentar Gary gegenüber. Als klar wird, dass Randall tatsächlich wieder nur seine eigenen Interessen im Sinn hat, geht Arthur auf ihn los. Nach dem erfolgreichen Tapezieren mit Randalls Blut sagt er zu Gary, dass er ruhig gehen könne, er werde ihm nichts tun. Er erschreckt ihn im Spaß, findet das zum Schießen - und stört sich nicht mehr daran, dass nur er dies witzig findet. Ihm genügt es, wenn er der einzige ist, der über seine Art Humor lachen kann. Wenn man bedenkt, wie verzweifelt sich Arthur Anfangs nach dem Lachen anderer über seinen Humor gesehnt hat, ist das eine extrem bemerkenswerte Entwicklung.

Er begeht den Mord an Randall, so wie alle anderen Morde, aber auch durchaus in dem Wissen bzw. in der Absicht, sich während seines Auftritts in der Murray Franklin Show das Leben zu nehmen - er sagt selbst, er habe nichts mehr zu verlieren und in diesem Bewusstsein räumt er konsequent auf, da er davon ausgeht eh keine Konsequenzen für seine Taten fürchten zu müssen, da sein größter geplanter Joke ist sein eigenes Hirn und Blut auf der Bühne vor laufenden Kameras zu verteilen.

Auch als er den Kopfschuss “probt”, mimt er vorher das Verhalten eines Gastes der Show im Fernsehen, um während seines eigenen Auftritts möglichst “normal” und (selbst-)sicher wirken zu können. Nach dem geprobten Schuss breitet sich ein ehrliches, befreites, inniges Lächeln der Zufriedenheit, Erleichterung und auch Vorfreude über seinem Gesicht aus. Er freut sich auf diesen Moment, auf die Pointe des schlechten Witzes, der sein Leben ist; auch in der Hoffnung, dass sein Tod auf diese Weise eben mehr Sinn machen möge als sein Leben.

Kurz vor dem eigentlichen Auftritt probt Arthur diese Szene erneut bzw. fiebert auf den Moment des geplanten Kopfschusses hin, aber das Lächeln auf seinen Lippen bleibt dieses Mal aus. Beginnt er an seinem Plan seinem Leben ein Ende zu bereiten zu zweifeln, jetzt, wo er es endlich erreicht hat sich vollkommen vogelfrei und unbeschwert zu fühlen?

Während seines tatsächlichen Auftritts in der Show, als er sein Notizbuch durchblättert und zu der entscheidenden Stelle darin kommt ("I just hope my death makes more cents than my life"; im Absatz darüber steht abschließend auch "I don't want to die with people just stepping over me. I want people to see me."), wird ihm bewusst, dass das Ziel zu sterben nicht mehr das ist, was er erreichen möchte. Stattdessen genügt es ihm vermutlich zu wissen, dass er eben jetzt bereits mehr erreicht hat, als sein Tod je würde; die Leute gehen auf die Straße und demonstrieren, er hat einen Eindruck und eine teils unumkehrbare Einwirkung auf andere Menschen gehabt, auch wenn die Art und Weise, wie es dazu kam, nie sein Plan, seine Absicht war. Dennoch kann er nicht umhin zu erkennen und auch zu genießen, dass er nicht mehr unsichtbar ist; er wird gesehen, gefeiert, als Vorbild genommen. Er ist endlich oben angekommen, aufgestiegen, hat sich befreit und verspürt nicht länger den Drang, dem ein Ende zu bereiten.

Also wendet er seinen Plan um 180 Grad und mordet erneut, mehr spontan als geplant, so wie (der abseits des Films bekannte) Joker es eben tut. Er selbst findet es witzig und scheint zunächst verwirrt bis enttäuscht darüber, dass niemand sonst derselben Meinung zu sein scheint, da die Zuschauer das Studio panisch schreiend verlassen.

Während der Randalen in Gotham sehen wir das wohl innigste ehrlich erfreute Lachen von Arthur/Joker, als er staunend aus dem Polizeiwagen heraus beobachtet, wie die Leute auf der Straße alles in Trümmer legen. Ein wundervolles Lachen, sein schönstes bisher.

Der Film endet mit einem erneuten Lachen über einen Witz, das mehr wie das anfangs pathologische, aber doch anders, klingt. Ein Hybrid aus ehrlichem, offenem Lachen und der krankhaft anmutenden Lache des Jokers, mit Musik aus Frank Sinatras “That’s Life” in seinem Kopf und auf seinen Lippen. Ein Witz, von dem er weiß, dass nur er ihn verstehen und als witzig empfinden würde.
Vielleicht die Freude daran, dass er seinem einst geglaubten Bruder Bruce den kaltherzigen Vater genommen hat, den er selbst nie hatte. Daran, dass er das Blatt gewendet hat - "some people get their kicks stomping on a dream" und nun ist er es, der Träume anderer mit Füßen tritt.
Oder vielleicht einfach nur der Galgenhumor und die Ironie des Lebens, denn immerhin hat seine Befreiung, sein Erreichen des Ziels Anerkennung zu finden jemand anderem extremes Leid bereitet. Egal was passiert, es ist keine Tragödie, sondern eine bizarre und makabere Komödie, über die man nicht anders kann als zu lachen.
Oder er hat sich das alles nur ausgedacht und seiner Therapeutin als Antwort gegeben, darauf was er erlebt hat, was passiert ist, warum er in Arkham ist?
Oder ist es viele Jahre später und Batman hat ihn nach Arkham verfrachtet, Joker erinnert sich an das Geschehene zurück und erkennt dabei, dass letztlich er dafür verantwortlich ist, dass aus Bruce Batman wurde?
Wir wissen es nicht und der Film gibt uns keine Antworten.

Perfektion.


Was repräsentiert Joker also für Arthur, für uns? Nun, Arthur ist Joker, Joker ist Arthur. Er repräsentiert nicht irgendeinen Bösewicht, nicht den Zielpunkt einer Reise, nicht den Schmetterling, der vorher eine Raupe war, keinen Verrückten, keinen Unzurechnungsfähigen, nichts davon.
Joker hat immer existiert, war immer da, kam nur zum Vorschein. Er ist geballter, heiß glühender, schwelender Schmerz, unerträgliches Leid. Aber vor allem Befreiung, Selbsthilfe, Selbstakzeptanz, Überlebensmechanismus, vollkommene Selbstakzeptanz, Selbstkreation. Der Phönix aus der Asche. Offenheit, Ehrlichkeit, Sorglosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Eskalation, Kaltblütigkeit. Die Konfrontation, die Konsequenz. Der Feuersturm.
Er ist das, was Arthur brauchte und schon immer verwendet hat, um nicht komplett zu zerfallen, dem wirklichen Irrsinn zu verfallen, sich dem Tod hinzugeben. Er ist das, was Arthur brauchte und was ihm von außen verweigert wurde. Der letzte Strohhalm, der Schlüssel zur Freiheit. Die Tragödie, Komödie, Ironie. Der Witz. Die Pointe.



Generell geht es in dem Film nicht um die eh außer Frage stehenden Fragwürdigkeit oder Verwerflichkeit von Selbstjustiz, Gewaltverherrlichung oder dergleichen (jeder, der den Film damit abspeist und abwehrt hat meiner Meinung nach die Kunst und Geschichte in und hinter diesem Film schlichtweg nicht begriffen - oder hat schlichtweg die Existenz anderer extremerer Filme vergessen - und jeden, der den Film ohne ihn gesehen zu haben kritisiert kann ich bei aller Liebe nicht ernst nehmen) - der Film ist eine Hommage an das Selbsterfahren, des Fürsicheinstehens, der Selbstakzeptanz und der Umarmung all dessen, was dies beinhält - Vergangenheit wie Gegenwart, endogene wie exogene Faktoren, die das eigene Selbst form(t)en.
Dass Arthur dabei bzw. bis dahin (trotz aufrichtiger Bemühung seinerseits es nicht so weit kommen zu lassen sondern auf regulärem Wege seinen Platz in der Welt zu finden) so weit getrieben wurde, dass er sich als Joker selbst neu erfindet und annimmt, ist zwar ein wesentlicher Bestandteil dieser wundervollen und überaus komplexen Charakterstudie des Arthur Fleck, hat und wird aber keinerlei merklichen oder nachhaltigen Einfluss auf das Leben in unserer tatsächlichen Gesellschaft haben - zumindest nicht in dem Ausmaß, wie manche Medienschreier, Social-Media-Hysteriker oder Aktivisten, die im Namen der Toleranz andere unterdrücken, es befürchten oder unbedacht in die Welt hinaus posaunen.

Wenn Joker es allerdings schafft, dass auch nur einige der Zuschauer ihr Selbst und ihre eigenen alltäglichen Handlungen und Verhaltensweisen gegenüber ihren Mitmenschen hinterfragen und es generell bewerkstelligt etwas mehr Verständnis für- und Rücksicht aufeinander zu schaffen, so hat der Film meiner Meinung nach Großes geleistet. Auch, wenn die Arthur Flecks unter uns sich selbst und ihre Vergangenheit, ihre vermeintlichen Fehler etc. ein wenig mehr akzeptieren und umarmen können.
Niemand von uns trägt offen heraus was er alles in seinem Leben gesehen, gefühlt, erlebt hat, doch jeder von uns hat seine eigene Last zu tragen, egal wo man im Leben herkommt, wo man steht oder wo man hingeht.

Auch wenn wir Menschen wahrscheinlich dazu verdammt sind, uns auf ewig gegenseitig zu verletzen und innerlich doch immer einsam zu bleiben, egal was wir tun oder wie sehr wir dagegen anzuwirken versuchen.


Jeder, der den Film als “gewaltverherrlichend”, “noch eine Story über einen Serienkiller, der als Kind missbraucht wurde”, oder “Glorifizierung von Verrückten” darzustellen oder abzutun versucht, verkennt das Wunderschöne und Tragische an ihm und sollte entweder an seinem Empathievermögen arbeiten oder sich wieder leichter verdaulichen, oberflächlicher Medienpampe zuwenden.
Oder anders gesagt… freue ich mich für diejenigen, die nie so tief gesunken sind oder niedergedrückt wurden, sodass sie Arthur Fleck alias Joker als porträtierte Person auch nur ansatzweise verstehen und seine Emotionen sowie Beweggründe nachvollziehen können.
Den Reaktionen und Reviews zufolge ist die Nummer derjenigen, die sich zumindest ein Stück weit mit Arthur/Joker identifizieren können bzw. sich darin wiederfinden, größer, als einem lieb sein kann und ist somit ein trauriges Zeugnis darüber, dass Anonymität, zwischenmenschliche Kälte und Nihilismus wohl zu einem Grundpfeiler der modernen globalen Gesellschaft mutiert sind.
Der Film hat mehr als nur einen Nerv getroffen und ich gönne ihm jedes bisschen Erfolg, Zuspruch und Applaus, den er dafür erntet. Den Menschen, die an der Kreation des Films beteiligt waren, sowieso.


Der Film an sich hat per se kein Ziel, keine “Moral von der Geschicht’”. Genauso wenig, wie der Joker je ein Ziel hat oder verfolgt. Es ist einfach nur ein Einblick in das Leben des Arthur Fleck aus dessen Sichtweise - und wie er zu Joker wurde. Nicht mehr und nicht weniger.
Kunst muss nicht immer Sinn machen oder ein höheres Ziel verfolgen.

Joker zwingt einen aber erbarmungslos dazu mitzuleiden, sich unwohl zu fühlen, sich am liebsten abwenden zu wollen, sich gezwungenermaßen dem zu stellen, was man selbst tagtäglich von sich schiebt oder willentlich übersieht - und das macht den Film umso wundervoller. Der Film hält uns einen erbarmungslosen Spiegel vor das eigene Gesicht.
Was man darin sehen möchte oder daraus für sich mitnimmt, muss jeder selbst mit sich selbst ausmachen. Und das ist das vielleicht Großartigste an dem Film: jeder wird ein Eckchen anders über ihn denken und fühlen, da jeder von uns ein wenig anders gelebt, gelitten, gefühlt und gehandelt hat. Und deswegen sollte ihn jeder mal gesehen haben, denn er sagt einem viel über einen selbst, solange man sich dem gegenüber öffnet.


Joker ist eine Hommage an die Ironie des menschlichen Daseins in seinen dunkelsten aber auch buntesten Farben. “That’s life”.





P.S.: Weiterführende Gedanken meinerseits zu dem Film gibt's hier.

Wednesday, November 29, 2017

Haunting nightmares

Have you ever had nightmares that kept haunting you for a long time? I've had a few of those that kept haunting me for years during my life and I think the one I've had last night is one of those, too.
When you wake up in the middle of the night, confused, anxious, agitated, disoriented, caught between being asleep and awake and you can't really tell reality from dream. That lingering echo of the nightmare has its claws dug deep into the nape of your neck and keeps doing that for hours, days. And this feeling of uneasiness and discomfort just won't go away. You're still having that nightmare while being awake because it never really lets go.
I fucking hate that.

Friday, April 28, 2017

Flesh and Bone

When I look into the mirror I know that the face and body I'm looking at belong to me, they are mine and part of me. But they don't feel like they are me, who I am. They feel like a mere shell, a coat, a casing which hides what lies underneath, who I really am. My body is just a vessel, a machine built from flesh and bone, and the me inside is dispersed within that matter. I don't feel like the body I'm looking at is me. Sometimes it even feels like I'm looking at a stranger and only my eyes give away that I'm inside this body. Strangest feeling ever.

Sunday, March 26, 2017

Past and Present

Past and Present
(Self-portrait)

Growing up is painful. Not only because of growing pain or that confusing time of not knowing where to go or who to be(come). Being an adult is painful. Not only because of all the responsibilities and stuff that is expected from you and the limitations and boundaries that you're not really able to escape from.

As a child, I wished for growing up fast. So that I could do whatever I wanted and not being caught in this shithole called my childhood anymore. So that I could escape and spread my wings. Like most kids do, I guess.
Now that I'm all grown up, it pains me to look back. To look at who I was, what has been, what has happened, what that all did to me. At least the stuff I can remember, which is not that much, to be honest. Still. And it doesn't really matter, at least not here, not to you.
Point is, when I now look at me while looking back, it's painful and amazing of what that all can do to a human being. What that has made me. From good to bad to hell to bad to mediocre to kinda good. But it will never be as good again as those few first years. It hurts. It makes me sad. Not always, sometimes it makes me strong and proud and confident seeing what I've survived and overcome. But most of the times it just hurts.

Well, I guess being able to grieve for yourself, your past self, your past and all that is important, too. Even though it wanna makes me curl up in a ball and hide from everyone and everything until the day I die, but hey. I'm an adult now. I have to do stuff in order to do stuff. So what the fuck, eh. Even tho I still feel like a child most of the time. Like I've not grown at all. But then again I know I did. Living and being alive is confusing as fuck.


Saturday, March 25, 2017

Korn in Stuttgart, 24.03.2017

Hachja... kaum gibt's keine wirklich "dringende" Motivation mehr, lass ich meinen Na'vi-Blog wieder schleifen. Na ja, Wurst.

Ich war gestern mit meinem Freund zusammen das erste mal auf 'nem Korn-Konzert in Stuttgart.

Die beiden Vorbands waren nich mein Fall; Hellyeah hat so oder so schon n Pluspunkt, weil Chad Grey der Frontmann is, aber mir wär's lieber gewesen, wenn er mit Mudvayne dort aufgetreten wäre. Der nichtmal 30minütige, heruntergerissene Quicky war echt... underwhelming. Ich hab' anfangs nichtmal sicher sagen können, ob das jetzt Chad oder irgend ein Ersatz auf der Bühne war. o.-
Heaven Shall Burn is nich mein Fall; Metalcore war noch nie so meins... Wobei ich den Jungs lassen muss, dass 'se ne geile Show abgeliefert haben.

Wir saßen links von der Bühne relativ mittig und hatten besten Sound, einen guten Blick auf die Bühne und die Menschenmenge in der Halle, die übrigens komplett voll war. War echt 'n Haufen Menschen - und alle warteten irgendwie nur auf Korn.

Ich hab schon immer davon geträumt bzw. mir gewünscht, Korn live zu sehen. Allein schon wegen dem, was ich persönlich mit der Band bzw. ihrer Musik verbinde. Allein JD live zu sehen war Hammer (der Mann hat nach wie vor nicht nur meine Bewunderung, sondern auch meinen höchsten Respekt). Man merkt, dass sie jahrelange Bühnenerfahrung haben und natürlich haben sie "nur" ihre Setlist runtergespielt, aber das hat dem Ganzen überhaupt keinen Abbruch getan. Die Stimmung, die sie gestiftet und verbreitet haben war einfach nur unbeschreiblich gut. Die komplette Halle hat mitgegröhlt und mitgesungen, mir war's scheißegal, ob ich mich zum Affen mach; ich hab jeden Song lauthals mitgesungen/geschrien und hab mich einfach nur mitreißen lassen. Ich war voll drin und unendlich glücklich.

Danach war ich komplett weggetreten und benebelt und heiser und taub und ich würd's ohne zu Zögern wieder tun.

Fucking best concert ever.

Top 3 Konzerte... hmm. Korn, Satyricon, Watain. Wobei Satyricon echt extrem nah an Platz 1 ist, allein ganz vorne mittig zu stehen und als einzige Den Siste mitbrüllen zu können und dafür n verwunderten Blick von Satyr zu kassieren... Haha :D

Viele Bands sind live sehenswert, aber für mich vor allem Korn. Warum hab ich das noch nich früher gemacht?

Na ja, dieses Jahr treten 'se gleich nochmal aufm Breeze auf. Ein Grund mehr, dort hinzugehen, sei's auch nur für den Tag, an dem sie spielen :D Korn würde ich sogar Eisregen vorziehen. Die Jungs hab ich ja immerhin schon 2x gesehen, hehe.

Mein Freund hat das Video aufgenommen und bei 0:47 sieht man kurz meine Haare durch's Bild unten links nach oben fliegen, weil man muss ja manchmal zum Hirn-wegblasenden-Headbangen ordentlich ausholen :D